Montag, 14. Juli 2014

Die Europäer schlagen zurück

In der 113. Minute versetzte Mario Götze mit einem Geniestreich eine ganze Nation in Ekstase. Gleichzeitig liefen am Zuckerhut die letzten Minuten aus - die Weltmeisterschaft in Brasilien war bereits am Ende angelangt.

Nach etwa 32 umkämpften Tagen in und rund um Brasilien dreht sich die Erde endlich wieder um die eigene Achse, die Frauen gewinnen die Vorherrschaft in der Stube um die Fernbedingung zurück und schauen abends ihre Sendungen, die Männer duschen ausnahmsweise und auch sonst sucht der alltägliche Trott sämtliche Erdlinge erneut heim.

Ein erstes Fazit offenbart faszinierendes. Nachdem in der Vorrunde Tore im Sambatakt geschossen wurden, verstumpften die offensiven Waffen in der KO-Phase.

Kaum ein Individuum hatte vorausgeahnt, dass mit Italien, Spanien und Portugal gleich drei Schwergewichte auf der Matte blieben. Der Exploit von Costa Rica konnte auch nur mit exzessivem Alkoholkonsum und Optimismus vorausgesehen werden. Hat wer Drogen gesagt? Wie einst Rocky Balboa boxten sich die Zentralamerikaner furchtlos durch Mark und Bein der Gegner. Allgemein erhielten die Angsthasen-Teams ihre Quittung rasch und wurden brutal verprügelt, oder zumindest, nicht belohnt.

Wenn’s um die Wurst ging, stachen sich ab Achtelfinale alle Taktiker, Strategen und Medizinmänner aus aller Welt gegenseitig aus. Rasenschach deluxe!

Einerseits bestaunte der aufmerksame Zuschauer den schmelzenden Abstand zwischen der Weltelite und dem Rest. Im Jahr 2014 können die meisten WM-Teilnehmer tschutten. Physis, Einsatz, Kampf, Technik und ein wenig Taktikverständnis bringen fast alle mit.
Längstens herrscht im Fussballkönigreich keine Aristokratie mehr. Auch wenn momentan die Krone doch noch zwischen den üblichen Verdächtigen hin- und hergereicht wird.

Die nächste Revolution steht schon in den Startlöchern. Die nächste Revolte ist geplant, der nächste Putsch ziemlich, sehr ziemlich sicher.

Persönlich sammelte Brasilien viele Sympathiepunkte bei mir. Obwohl ich der Heimmannschaft den WM-Titel nicht zugetraut hatte, überraschte sie mich mit tollen Partien gegen Chile und Kolumbien. Sämtliche Brasilianer, von Spieler, Trainer, Platzwart, WC-Reiniger, Zuschauer, Fan über Samba-Tänzerinnen, die vor allem, und sogar Jo zeigten Herzblut, Leidenschaft, Freude, Kummer, Tränen und jegliche Achterbahnritte der Gefühle. Sympathisch! An dieser Stelle trauert die Lustoase in Ibach mit allen erwachsenen Brasilianerinnen mit. Bis Ende Monat werden allen Trost, Massagen und andere Arten der Verwöhnung gespendet.

Leider überschatteten zehn grauenvolle Minuten die heimische Party, sodass die letzten beiden Begegnungen nicht nur zu hoch, sondern auch unverdient klar resp. zu schonungslos ausgefallen sind. Die Chilbi an der Copacabana wandelte sich zu einem Trauerspiel von Miesepetern.

Auf die einzelnen Fehler und Gründe, Aussichten und wie die Zukunft von Brasilien wieder positiv gestaltet werden kann, gehe ich nicht ein – oder nur gegen Geld. Die Megapron-Anleitung „Wie baue ich ein Imperium“, gibt’s gegen eine kleine Vergütung.

Auch die schweizer Nationalmannschaft schaffte es irgendwie wieder, die Massen begeistert resp. gequält vor die Bildschirme zu zwingen. Am Ende hatte man alles in Allem etwa 200 Minuten spannende Unterhaltung generiert, aber rausgekommen ist halt, wie üblich, nichts Spezielles.
Deutschland hat die Fussball-Bastion-Südamerika erfolgreich eingenommen und gestürzt. Trotz Fluch, trotz Voodoo, trotz leichtbekleideten Damen auf den Rängen. Zum ersten Mal sind europäische Kicker nicht nur als Touristen in den Süden von Lateinamerika gereist.
Obwohl keine Mannschaft unwiderstehlich und fehlerlos die Fussballbühne betrat und durchs Band das Plenum zu unterhalten verstand, geht der Titelgewinn für die Germanen sicherlich in Ordnung. Die Rebellion der Algerier brachte den Titan ins Wanken - am Ende gewann aber Deutschland. Gegen eine "grande nation" in Form präsentierten sich die Jungs von Jogi Löw sehr präsent und schaukelten den Sieg im Endeffekt ohne Probleme in die Hotelkatakomben. Das Halbfinale gegen Brasilien ist Geschichte.

Argentinien hingegen, welches zum ersten Mal seit Entdeckung der Pyramiden von Gizeh als Einheit funktionierte, verursachte in diversen Haushalten Augenkrebs und verbreiteten Depressionen. Ein südamerikanisches Chelsea braucht die Welt nun sicher nicht - genau so wenig wie ein weiteres Justin Bieber Album.

Fazit: Starke WM-Gruppenphase mit vielen Überraschungen.

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